Eine nie dagewesene Chance

von Stefan Lesting

Die Internetseelsorge bringt viele Menschen in Kontakt mit dem Thema Glauben

Das Internet hat sich im letzten Jahrzehnt rasant weiterentwickelt und für viele Menschen ist dieses Medium nicht mehr aus dem Leben wegzudenken. Dabei nutzen gerade die jüngeren Generationen das Medium sehr intensiv  für einen Großteil ihrer Aktivitäten in Beruf und Freizeit. Doch was bedeutet es für die Seelsorge und insbesondere die Internetseelsorge, wenn Menschen ihren Lebensmittelpunkt ins Internet verlagern und eine ständige Erreichbarkeit garantieren?

Es stellt vor allem eine nie vorhanden gewesene Chance für die Kirche dar viele Menschen mit dem Thema Glauben auf vielfältige Art in Kontakt zu bringen. Faktoren wie Familienstand, Wohnort oder das Einkommen spielen erst einmal keine Rolle, denn das Internet bietet Raum für Anonymität. Das besonders dieser Aspekt in der Seelsorge  sehr hilfreich sein kann liegt auf der Hand, denn es redet keiner gerne in der Öffentlichkeit über Selbstzweifel und eigene Probleme. Darüber hinaus schreckt auch der Weg zu einem Seelsorger in der Nähe meistens ab, denn neben dem organisatorischem Aufwand und der zeitlichen Gebundenheit  müssen sich beide Seiten zu erkennen geben.

Zeitlich unabhängiger Schutzraum

Das Internet schafft hier einen Ausweg und so wird beispielhaft bei der Internetseelsorge Freiburg beiden Seiten, der Suchenden und auch den Seelsorgern, die Möglichkeit gegeben  Namenlos zu bleiben. Darüber hinaus gibt es auch Angebote, wie das virtuelle „Haus der Seelsorge“ auf den Bistumsseiten von Münster bei der die Seelsorger sich mit ihren Profilen vorstellen und direkt kontaktiert werden können. Beide Angebote bauen dabei auf die Emailkommunikation, wohingegen es in der nun schon über 10 Jahre lang existierenden Internet-Kirche St. Bonifatius in der „funcity“ Community eine weitere Kommunikationsmöglichkeit mit einem Chatsystem gibt.

Diese drei Internetseiten gehören neben den Webseiten katholisch-werden.de und dem Beratungsportal des Deutschen Caritasverbandes (beratung-caritas.de) zu den bekanntesten Angeboten in Deutschland. Auffällig dabei ist die Tatsache, dass alle Angebote rein textbasiert sind und auf Technologien wie Email und Formularfelder nutzen, wenn die erfolgreichen nicht-kirchlichen Nachrichtenportale oder soziale Netzwerke immer stärker auf Multimediaelemente und rein webbasierte Lösungen setzten.

Multimedia stärker nutzen

Eine Ausnahme macht das Pilotprojekt „Kirche in virtuellen Welten“ der Erzdiözese Freiburg. Diese ist mit der virtuellen St. Georg Kirche seit nun fast zwei Jahren im Second Life vertreten. Da Second Life eine virtuell begehbare 3D Welt ist, bekommt Seelsorge hier zwar ein Gesicht, doch dieses kann vom User nach Belieben frei modelliert werden. Gut erkennbar wird an dieser Stelle, dass auch in der Zukunft des Internets und auch der Seelsorge die Möglichkeit der Anonymität immer eine wichtige Rolle spielt.

Priester bekommen Headset und Webcam bei Dienstantritt

Des Weiteren setzen sich aktuell sehr stark Sprach- und Videotelefonie durch, was auch Auswirkungen auf die Internetseelsorge haben sollte. So stehen zum Beispiel die Fragen im Raum, warum die Telefonseelsorge bisher nur über einen Chat- und Emailsystem neben der Festnetznummer erreichbar ist, aber bisher nicht über den vielgenutzten Internetdienst Skype? Oder aber warum wird nicht jeder Priester bei Dienstantritt mit einem Headset und einer Webcam ausgestattet?

Es sind Fragen, die bisher noch zu wenig bedacht wurden, da noch nicht jedem, der in der Seelsorge tätig ist, die Wichtigkeit und die Chancen des Medium Internets klar sind. Doch gerade durch die vielen Umstrukturierungsprozesse in den einzelnen Bistümern wird das Bewusstsein geschärft, denn auch bei den Mitarbeitern der Kirche rückt das Medium Internet immer mehr in den Mittelpunkt der Arbeit. Dies ist ein sehr positiver Trend, denn neben der zumindest teilweisen anonymen Seelsorge, bietet das Internet durch die sozialen Online-Netzwerke die Chance von Seiten der Seelsorger die bestehenden Kontakte zu pflegen. Dabei kann die aktive online Kontaktpflege auch als eine Art der Seelsorge gesehen werden und da beide Parteien sich kennen, erscheint es hier auch nicht abwegig Gespräche mit dem Einsatz von Sprach- oder Videotelefonie zu führen. Von Vorteil bei dem Einsatz dieser Technik ist sicherlich, dass Missverständnisse, die leicht bei einer rein auf Text basierten Kommunikation entstehen, reduziert werden können.

Präsenz zeigen in sozialen Online-Netzwerken

Was der katholischen Internetseelsorge derzeit noch fehlt ist eine stärkere Präsenz auf den bekannten Onlineportalen und Communities. Wer aktuell nach der katholischen Kirche in StudiVZ oder Facebook sucht, der findet zum einen nur wenige Angebote und zum anderen gibt es bisher kaum seriöse offizielle Profile und Gruppen der Kirche. Hiermit wird eine große Chance vertan, denn der aktive Einsatz im Web 2.0 kann Erfolg haben, wie am Beispiel des Stuttgarter Stadtpfarrers Hermes deutlich wird. Hermes hat dabei das Business Portal von Xing für sich entdeckt, in dem er gezielt Personen aus seiner Region sucht und diese einlädt ihr Profil mit dem Seinigen zu verknüpfen. Dabei hat er die Erfahrung gemacht, dass die Menschen sehr positiv auf seine personalisierte Kontaktaufnahmeinitiative reagieren; denn ist eine Verknüpfung vorhanden, so kommt man im Internet sehr leicht ins Gespräch.

Ehrenamtliche fit machen für Onlinekommunikation

Das solch eine Initiative nicht nur von Geistlichen ausgehen kann liegt auf der Hand und so wäre es gut vorstellbar, dass in wenigen Jahren auch Gruppenleiter oder Geistliche Verbandsleiter in der Jugendarbeit auf das gezielte Knüpfen von Kontakten im Onlinebereich geschult werden um sich dies bei der Ausübung des ehrenamtlichen Engagement zum Nutzen zu machen. Das Online- und Offlineaktivitäten der Seelsorge gut zusammen passen zeigt auch die Gebetsaktion „Zusammentragen“  aus dem letzten Jahr. Bei der Aktion wurden Jugendliche aufgefordert sich in ihrer Gruppe oder alleine mit dem Thema „Beten“ auseinanderzusetzten und eigene Gebete auf der Projekthomepage (jugendliche-beten.de) zusammenzutragen. Viele junge Menschen haben bei der Aktion mitgemacht und ihre Wünsche, Träume und Hoffnungen niedergeschrieben, die in ausgewählter Form auch noch nach Abschluss der Aktion weiterhin online verfügbar sind. So tragen sie auch nachhaltig bei, den einen oder anderen Internetnutzer zu berühren und die katholische Kirche als Ansprechpartner für Seelsorge im Internet zu präsentieren.

Seelsorgenetzwerk im deutschsprachigem Raum

Das projektbezogene Zusammenspiel von Online und Offlineaktivitäten ist richtungsweisend und wird in der Zukunft sicher stärker zum Tragen kommen. Für die Internetseelsorge könnte es so aussehen, dass Projekte gezielt unter den Bistümern aufgeteilt werden. Es wäre denkbar, dass zum Beispiel das Bistum Limburg sich im Rahmen des Bistumsprozesses „Bereitschaft zur Bewegung“ in den nächsten Jahren Seelsorgeangebote für eine moderne online Pfarrseelsorge konzipiert, wohingegen sich die Freiburger die sehr weit entwickelte Jugendarbeit im Bistum und deren Kontakte zu nutzen macht, um eher jüngere Zielgruppen anzusprechen. Dabei ist wichtig, dass nicht jedes Bistum den Anspruch haben darf alle gesellschaftlichen Milieus online zu erreichen. Vielmehr wäre es wünschenswert, wenn die einzelnen diözesanen Projekte in der Gesamtbetrachtung ein seelsorgerisches online Netzwerk im deutschsprachigen Raum spannen würden, um gemeinsam der steigenden Onlinepräsenz der Menschen zu begegnen.
Die Internetseelsorge der nächsten Jahre wird viele neue Wege finden müssen das Internet für die Seelsorge zu nutzen, aber eines wird bleiben: Seelsorge ist am Ende immer ein Beziehungsgeschehen zwischen mehreren Menschen und ihrem Einsatz zu kommunizieren.

(Dieser Artikel wurde im September 2009 auf www.internetseelsorge.de veröffentlicht, ist dort aber derzeit nicht mehr Verfügbar.)

Über Stefan Lesting

Stefan Lesting ist Experte für das Thema Digitalisierung

Stefan Lesting ist Berater, Autor und Medienexperte und beschäftigt sich seit vielen Jahren insbesondere mit der Thematik Kirche und Medien. Daneben unterstützt Stefan Lesting zusammen mit seinen Mitarbeitern bei der Lesting Media & Consulting Pfarrgemeinden, kirchliche Einrichtungen, Verbände und Einzelpersönlichkeiten bei der Umsetzung von Marketing- und Digitalisierungsmaßnahmen.