Und noch eine katholische Community..?

von Stefan Lesting

Als einen ersten Artikel gibt es hier einen sehr erfolgreichen Artikel von lesting.org, der sich mit den aktuell aufgekommenen Gerüchten einer katholischen Community beschäftigt und einige Einblicke und Ausblicke dazu gibt, was es mit dieser Idee auf sich hat.Seit mehreren Jahren sind wir nun im Zeitalter, welches wir Web 2.0 nennen. Mit diesem Begriff verbinden wir Communities, wie YouTube, Twitter oder Facebook. Nun gibt es darüber hinaus auch noch eine unzählige Fülle an weiteren Communities beziehungsweise an Web 2.0-Angeboten.

Die Bandbreite der schon vorhandenen Communities überzieht im Grunde alle Bereiche des Lebens. Viele Projekte decken dabei Nischeninteressen ab und werden von Privatpersonen initiiert und gepflegt. Neben diesen vielen kleinen Projekten gibt es im Vergleich dazu nur einige wenige große Communities, die international operieren und mittlerweile große Firmenapparate hinter sich haben.

Da das Thema social Web sich immer mehr etabliert hat, gibt es nun auch von der katholischen Kirche vermehrt Vorstöße in dieses Gebiet vorzudringen. Doch wo auf internationaler Ebene eher das Modell verfolgt wird, in die bestehenden Communities mit mehreren Millionen Mitgliedern als Kirche zu gehen, gibt es auf dem deutschen Boden gerade alternative Optionen, die ernsthaft in Betracht gezogen werden.

Die wohl größte Überlegung dieser Art kann heute in Verbindung mit der Bertelsmann-Stiftung gebracht werden, die sich überlegt hat, der katholischen Kirche in Deutschland eine katholische Community zu schenken mit dem Namen „cathoo.net“. In den letzten Monaten haben sich die Gerüchte über dieses Projekt zunehmend gemehrt und eine starke Ablehnung gegen dieses Projekt ist auf breiter Ebene vorhanden, bevor es überhaupt irgendetwas zu sehen gibt.

Die Ablehnung für ein solches Projekt kommt von verschiedenen Seiten. Zum einen ist es schwer verständlich, dass cathoo.net für Pfarreien, Bistümer, Gruppierungen, Verbände und Organisationen und nicht zuletzt für den User kostenfrei sein soll. Denn jeder, der sich mit dem Internet auskennt, weiß zwar, dass es viele OpenSource-Produkte gibt, aber die Anpassung gerade bei komplexen Webseiten bares Geld kostet.  (Bei StudiVZ & Co – recht wenige Funktionen und Anpassungsmöglichkeiten für den User- sind Summen von über 50 Mio. Euro im Spiel als Vergleich.)

Dass cathoo.net recht komplex werden muss, zeigt die Vielfalt der Gruppen und Organisationen, welche die Plattform nutzen sollen. Angefangen von Jugendgruppen, Pfarreien, Bistümer, Verbände, Organisationen, Schulen & Hochschulen über die Online-Seelsorge  bis hin zu Akademien und Hilfswerken. Dies ist ein sehr breites Spektrum, welches abgedeckt werden soll, mit noch mehr unterschiedlichen Strukturen, Bedürfnissen und politischem Einfluss.

Daneben ist der Plan, Kooperationspartner mit ins Boot zu holen, die vor allem etablierte Onlineprojekte besitzen, damit meist zwar Nischen abdecken, aber dies sehr bewusst tun und damit erfolgreich sind. Interessant an diesem Punkt ist, dass nur sehr wenige dieser Kooperationspartner bisher mit im Boot sitzen beziehungsweise über ihre Rolle offiziell Bescheid wissen. Diese Tatsache ist recht komisch, weil ein Launch – laut meinen Informationen – für Anfang 2010 geplant ist.

Eine weitere Frage, die sich mir stellt, ist, ob die katholische Kirche wirklich eine Community braucht? Unter einer Community, das muss ich dazu sagen, verstehe ich eine Plattform, wo vor allem User untereinander in Kontakt treten und Inhalte, wie Videos, Texte etc. miteinander austauschen können. Es ist also mehr als ein reines Redaktionssystem.

Ich habe nämlich den starken Verdacht, den sicherlich viele aus dem Web 2.0 Bereich mit mir teilen werden, dass eine katholische Community keinen wirklichen Erfolg haben wird. Es gibt genug Beispiele, die zeigen, dass das Konzept von cathoo.net nicht wirklich ein neues ist und schon vielerorts in der Vergangenheit gescheitert ist. Mitunter auch bei einem Projekt, welches offiziell damit wirbt, dass der Vatikan dahinter steht und der Papst den Usern Nachrichten schreibt.

Und selbst das deutsche Prestigeprojekt in Sachen Web 2.0 – StudiVZ  – zeigt, dass selbst 15 Mio. User (alle VZ Netzwerke) keine ausreichende Hausnummer dafür ist, dass ein Projekt langfristig erfolgreich ist. Dies hängt vor allem mit dem Overflow an Informationen zusammen, die der Nutzer bei Benutzung des Internets bekommt. So ist es zwar normal, dass ein Internetnutzer mindestens in 15 bis 20 Communities als User registriert ist, aber es gibt nur ganz wenige Personen, die wirklich in mehr als 5 Communities richtig aktiv mitwirken und Inhalte produzieren.

StudiVz gehört im Übrigen mittlerweile zu den sozialen Netzwerken, die für die User aus vielen Gründen uninteressanter werden gerade mit Hinblick auf den Konkurrenten Facebook, der mittlerweile über 300 Mio. User weltweit miteinander verbindet. Der entscheidende Punkt ist hierbei, dass der User sich irgendwann erschlagen fühlt von den vielen Mitgliedschaften und nur noch die Plattform nutzt, die es am einfachsten ermöglicht das persönliche Netzwerk zu bedienen unabhängig von Faktoren wie Geschlecht, Sprache, Wohnort oder Religion. Darüber hinaus bietet Facebook auch Firmen und Organisationen die Möglichkeit, Teile des sozialen Netzwerkes über offene Programmierschnittstellen auf die firmen-/organisationseigenen Webseiten einzubauen. Auf der anderen Seite ist der entgegengesetzte Schritt auch möglich, so dass externer Inhalt mit wenigen Klicks auch direkt nach Facebook übertragen werden kann.

So entsteht mit Facebook gerade eine Plattform, die – wenn man möchte – das Internet für einen Internetuser sehr zentralisiert unter dem Motto: Die Inhalte finden mich und ich brauche sie nicht mehr extra suchen.
Auch wenn es hier nun das Beispiel Facebook war, das dieses Motto sehr stark verdeutlicht, so funktioniert das mit den anderen Web 2.0 Plattformen, wie Twitter, YouTube oder MySpace ebenso.

Es ist also ein Trugschluss zu glauben, dass man mit einer neuen katholischen Community irgendetwas großartig bewegen würde. Die wichtigen Inhalte werden, so wie es jetzt auch schon meistens der Fall ist, (zusätzlich) in die großen sozialen Netzwerke eingeschleust und machen dann dort die Runde. So wird für die meisten Internetnutzer kein Mehrwehrt vorhanden sein, noch in einer zusätzlichen Community aktiv zu werden, wenn er wichtige Inhalte in seiner Standardcommunity erhält.

Aber was braucht es dann aus meiner Sicht in der katholischen Medienwelt an Stelle einer Community? Wir brauchen dringend aus meiner Sicht ein vernünftiges Informationsportal, dass die Vielfältigkeit der katholischen Kirche miteinander verknüpft und sichtbarer macht. Wenn ich hier jetzt von einem Portal spreche, mache ich dies bewusst, um eine Abgrenzung zum Begriff „Web 2.0“ herzustellen. Es mag zwar rückschrittlich klingen, ein Portal aufzubauen, doch ist dies wahrscheinlich viel effektiver, wenn man die richtigen Verknüpfungen zu den bestehenden sozialen Netzwerken schafft.

Jetzt mag vielleicht der Einwand kommen, Portale gibt es doch im Internet genug, sie sind kostenfrei und können schnell heruntergeladen und installiert werden. Ja, an dieser Aussage ist viel Wahrheit dran, doch ein Problem gibt es bei den bestehenden OpenSource Portalen: Sie spiegeln nicht die kirchliche Struktur wieder.
Es ist also nicht ohne Weiteres möglich, hier verschiedene Verbände, Organisationen und Initiativen miteinander zu vernetzen und Synergien zu schaffen. Doch auch für dieses Problem gibt es mittlerweile Software, die recht intelligent die verschiedenen Ebenen miteinander teilweise automatisch und teils halb-automatisch verknüpft.

Was an dieser Stelle wieder recht auffällig ist, dass nur recht wenige Personen einen Überblick haben, was wirklich gerade im Markt und insbesondere in der katholischen Kirche an Initiativen im Web-Bereich laufen. Deshalb ist es auch schade, dass zum Beispiel cathoo.net nicht auf einer der wenigen, aber dennoch vorhanden Softwarelösungen aufbaut, sondern wieder der Ansatz verfolgt wird, die Welt neu zu erfinden.

Die Welt neu erfinden wird an diesem Punkt nicht funktionieren, genau so wenig, wie aktuell die Kommunikationspolitik dieses Projektes funktioniert. Viele Personen sind gespannt darauf, wie die katholische Community aussehen soll, doch ich denke, das Ergebnis bis zu diesem Zeitpunkt ist enttäuschend und die Erwartungen werden wohl auch bei einem Launch enttäuscht werden auf Grund des fehlenden Mehrwertes.

Ich würde dafür plädieren, das vorhandene Konzept der Community noch einmal grundlegend in wesentlichen Punkten zu überdenken und zu professionalisieren beziehungsweise der Praxis anzupassen. Dies bedeutet auch, dass die Erfahrungen aus den mehr als 200 deutschen katholischen Community-Projekten der letzten drei Jahre auch noch einmal intensiv betrachtet werden müsste, da 95% von ihnen nicht ohne Grund fehlgeschlagen sind.
Anderenfalls ist das Projekt in meinen Augen nur eine große Geldverschwendung und Geld wurde in diesem Bereich schon genug an den falschen Stellen ausgegeben von Seiten der Kirche. Das heißt, dass es wünschesnwert wäre, wenn alle Verantwortungsträger dieses Projekt kritisch hinterfragen – auch wenn Angebot von der Bertelsmann Stiftung für Bistümer, Verbände und sonstige Organisationen auf den ersten Blick verlockend klingt zum Beispiel auf Grund der kostenlosen breitflächigen Bewerbung eines katholischen Projektes. Vielleicht ist es auch noch möglich, das aktuelle Konzept auf einen vernünftigen Weg zu bringen, so dass wirklich ein Mehrwert entsteht und das Stiftungsgeld gut eingesetzt wird.

Um Missverständnissen vorzubeugen, möchte ich noch einmal zum Abschluss betonen, dass ich grundsätzlich den Ansatz einer nationalen/globalen katholischen Plattform sehr begrüße. Doch die mir vorliegenden Materialien lassen mich aufschrecken, da sie genau den gleichen Inhalt haben, wie fast alle Konzepte der Projekte, die fehlgeschlagen sind und jetzt eigentlich nur noch als Webleichen existieren. Ein weiterer Flop sollte demnach vermieden werden.

Über Stefan Lesting

Stefan Lesting ist Experte für das Thema Digitalisierung

Stefan Lesting ist Berater, Autor und Medienexperte und beschäftigt sich seit vielen Jahren insbesondere mit der Thematik Kirche und Medien. Daneben unterstützt Stefan Lesting zusammen mit seinen Mitarbeitern bei der Lesting Media & Consulting Pfarrgemeinden, kirchliche Einrichtungen, Verbände und Einzelpersönlichkeiten bei der Umsetzung von Marketing- und Digitalisierungsmaßnahmen.