„Virtuelle Kirche St. Georg wird nicht verwaisen“

von Unbekannt

1.  Die Praxisphase des Projektes „Kirche in virtuellen Welten“ ist Ende 2010 abgeschlossen worden? Mit welchem Gefühl ist dies geschehen?

Kebekus: Mit einem ambivalenten Gefühl. Auf der einen Seite ist es schade, dass das innovative und kreative, manchmal auch ein wenig verrückte Projekt abgeschlossen ist. Auf der anderen Seite habe ich jetzt wieder mehr Zeit für andere Aufgaben – und evtl. für andere Projekte. Sehr froh bin ich, dass einige ehrenamtliche Mitglieder des Teams auf privater Basis in Second Life weitermachen. Deshalb wird die virtuelle Kirche St. Georg nicht verwaisen, sondern ein Ort des Gebetes und der Glaubenskommunikation bleiben, wenn auch nicht mehr im Auftrag der Erzdiözese Freiburg.

2.  Warum  ist das Projekt beendet worden?

Kebekus: Das Projekt war von vornherein auf zwei Jahre angelegt worden. Generell wäre eine Verlängerung möglich gewesen. Aber zurzeit ist die Zukunft von Second Life eher unsicher. Die Betreiberfirma LindenLab steht vor einer strategischen Neuausrichtung des Unternehmens. Darauf deuten ein mehrfacher Wechsel an der Spitze der Firma, aber auch die Entlassung von ca. einem Drittel der Belegschaft hin. Vielversprechend ist eine OpenSource-Lösung für virtuelle Welten: OpenSimulator, kurz OpenSim genannt. Es kann gut sein, dass OpenSim auf dem Gebiet der vom User gestaltbaren 3D-Onlinewelten Second Life künftig den Rang abläuft. Aber noch ist es nicht so weit. OpenSim ist noch in der technischen Entwicklung und braucht wohl noch zwei oder drei Jahre bis zum Second-Life-Standard.

3.  Welche Erfahrungen haben Sie in der Praxisphase gemacht?

Kebekus: Positiv waren viele Begegnungen, sowohl „inworld“, also in Second Life, als auch „outworld“ in Face-to-Face-Kontakten oder per Telefon, Skype oder Mail. Es hat sich gelohnt, dass wir uns als Kirche auf ein ganz ungewohntes, unbekanntes Terrain gewagt haben. Und dass sich in Second Life nicht einfach nur eine „Institution“ präsentiert, sondern konkrete Personen, die sich zwar in der „digitalen Maske“ eines Avatars bewegen, aber authentisch ihren Glauben und ihre Verbundenheit zur Kirche bezeugen. In Community-Foren gab es freilich zum Teil auch Widerstände und Kritik; negativ waren Pöbeleien und Beleidigungen von „Trollen“, die ihren Kirchenhass an mir auszulassen versuchten.

Welche Ereignisse sind hängen geblieben?

Kebekus: Ich erinnere mich an viele Wortgottesdienste und Bildungsveranstaltungen gern zurück. Es waren zum Teil sehr bewegende Gespräche, etwa zum Thema „Uns allen blüht der Tod – vom Umgang mit unserer Sterblichkeit“. Highlights waren Veranstaltungen, zu denen wir Referentinnen und Referenten von außen hinzugeladen haben. Aber letztlich haben nicht diese Highlights das Besondere des Projekts ausgemacht, sondern die Tatsache, dass wir uns von Anfang an als Gebetsgemeinschaft verstanden haben. Zentral war die regelmäßige, zwei Mal in der Woche gebetete Komplet. Sie war das Kernstück der „virtuellen Gemeinde“, die sich um die Georgskirche gebildet hat.

Gab es Impulse für die weitere Arbeit?

Kebekus: Weil wir uns vom Team mit den Second-Life-Usern nicht nur in der 3D-Welt, sondern auch im sog. Web 2.0 vernetzt haben (Blog, später Twitter und Facebook), habe ich persönlich dank des Projektes den Umstieg vom Web 1.0 zum Web 2.0 / Social Web vollzogen bzw. verinnerlicht. Ich bin ja ein „Digital Immigrant“ und außerdem Westfale, deshalb gucke ich mir neue Entwicklungen erst einmal eine Zeitlang an und springe nicht gleich auf jeden neuen Zug auf. Aber hinter das „Social Web“ führt m.E. kein Weg mehr zurück. Das gilt auch für unsere Arbeit in der Medienpastoral.

Was kommt nun?

Kebekus: Ich habe ein paar Projektideen, evtl. im Bereich der Augmented Reality. Aber es gibt noch nichts Konkretes.

Das Interview führte Jens Albers

Dr. Norbert Kebekus
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