Zwischen Twitter und YouTube: Internetseelsorge heute und morgen

von Jens Albers

„Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!“ Mit diesem Sendungsauftrag versah der Auferstandene die Jünger und alle die Ihm nachfolgten. Über Generationen hinweg setzte sich der Verkündigungsauftrag gegen alle Widerigkeit durch und fand in allen Epochen seinen Platz. Seit einigen Jahrzehnten trifft dieser Auftrag jedoch, vor allem in westlich geprägten Regionen der Erde, auf zunehmende Vermittlungsprobleme. Menschen die sich der Verkündigung verschrieben haben, sehen sich immer öfter mit der Frage konfrontiert: Wie erreiche ich die Menschen? Wie kann ich den Menschen die Frohe Botschaft nahe bringen?

In einer Gesellschaft, die sich zunehmend von der Informationsverbreitung durch gedruckte Medien entfernt und sich hin zu einer digitalen Kommunikationsgesellschaft entwickelt, stellt sich berechtigter Weise die Frage, ob das Medium Internet in Zukunft die Verkündigung der Frohen Botschaft vorantreiben kann. Reichen womöglich 140 Zeichen aus, um den Kern der Frohen Botschaft an die Menschen zu bringen? Ist eine Verkündigung durch die klassische Form der FacetoFaceKommunikation nicht mehr nötig? Kann die Frohe Botschaft in digitalisierter Form den Menschen erreichen?

Laut der aktuellen ARD/ZDFOnline Studie 2009 ist die Internetnutzung in Deutschland in den letzten 10 Jahren um rund 50 % gestiegen. Bundesbürger aller Altersschichten nutzten das Internet wöchentlich, wenn nicht sogar täglich. Hierbei erreicht das Internet sowohl die klassische Gruppe der Gottesdienstbesucher (40 Jahre bis über 60 Jahre), als auch die Generation der jungen und potentiellen Gottesdienstbesucher von Morgen (14 Jahre bis 39 Jahre). Betrachtet man beide Gruppen, so nutzen rund 78% der Bundesbürger das Internet regelmäßig. Richtet man den Fokus lediglich auf die Zahlen, so sollten diese Optimismus im Bezug auf die Lösung des Verkündigungsproblemes verbreiten. Ist der erste Freudentaumel jedoch abgelegt, wird deutlich, dass diese Zahlen lediglich Auskunft darüber geben, wieviele Menschen sich dem Medium Internet aus technischer Sicht verschrieben haben. Völlig aus Acht gelassen wurden bisher die Inhalte.

Genau in dieser Divergenz wird die Aufgabe deutlich, welcher sich die Kirche zukünftig nicht mehr verschließen kann. Wie kann der technische Kommunikationskanal des Internets genutzt werden, um die inhaltliche Ebene der Frohen Botschaft an die Rezipienten zu bringen? Das Internet bietet der Verkündigung eine scheinbar schier grenzenlose Fülle von Kommunikationskanälen. Von der ursprünglichen Internetseite mit allen multimedialen Facetten, über den Weblog hin zum MicrobloggingDienst Twitter – die Menschen sind bereit zur Kommunikation. Aber sind sie auch dafür bereit, den Inhalten der Frohen Botschaft in diesen, ihnen vertrauten Kanälen zu begegnen?

Ein Versuch, den Menschen in diesen Kommunikationsräumen zu begegnen, ist das Projekt „Twittergottesdienst“ der Freikirchlichen Gemeinde in BergischGladbach. Unter dem Motto “In digital we trust” wurde der MicroBloggingDienst Twitter genutzt, um während der Feier 140 Zeichen lange Botschaften an die digitale Gemeinde zu versenden. Im Vergleich zum realen Gottesdienst, konnten die virtuellen Gottesdienstbesucher, die sogeannten „Follower“, aktiv über eigene 140 Zeichen lange Botschaften an der Gestaltung des Gottesdienstes mitwirken. Laut der Betreiber des Twitterkanals „Schlosskirche“, auf dessen Kanal der Twittergottesdienst stattfand, sei es das Ziel des Projektes gewesen, den Menschen einen medienfreundlichen Gott nahe zu bringen.

Die Evangelische Kirche in Deutschland nutzte den Kurznachrichtendienst ebenfalls, um die Frohe Botschaft in die digitalen Kommunikationsräume zu tragen. Im Rahmen des diesjährigen eveanglischen Kirchentages wurde der Versuch unternommen, die Bibel in 140 Zeichen lange Sinneinheiten zu unterteilen und diese in der digitalen Welt zu verbreiten. Kerngedanke war es, dass sich gerade Laien mit der Heiligen Schrift befassen, Bibelstellen teilen und über diese miteinander in den Dialog treten.

Eine weitere Möglichkeit des Internets macht sich die Katholische Fernseharbeit zu Nutze. Mit dem Angebot des Tagessegens reagiert diese auf den Trend der Videonutzung im Internet. In kurzen Filmen von maximal 2 Minuten Länge werden aktuelle Inhalte aufgeriffen und in den Kontext der Heiligen Schrift gesetzt. Mit diesem kurzweiligen Format wird versucht, sinnhaltige Inhalte an das schnellebige Kommunikationsmuster des Internets anzupassen. Wirkt dies auf traditionelle Kirchgänger an mancher Stelle sicherlich befremdlich, so kann es auf Menschen außerhalb dieses Milieus vertraut wirken und das Interesse auf Mehr wecken.

Bei allem Optimismus und allem Tatendrang darf jedoch auf keinem Fall die Authenzität der vermittelten Nachricht unter dem gewählten Kommunikationsmittel leiden. Der Kommunikator muss sich zu jeder Zeit der Qualität der Nachricht bewußt sein und diese nicht unter jeden Umständen dem Diktat eines neuen modernen Kommunikationsmusters unterwerfen. Genrell ist es jedoch zu befürworten, dass sich auch die Seelsorge nicht der neu aufkommenden Kommunikatiostechniken verschließt. Sicherlich soll dies kein Plädoye dafür sein, sich jedem Trend bedingungslos zu unterwerfen. Vielmehr eine Ermutigung, sich den neuen Trends, auch für die seelsorgliche Arbeit, nicht zu verwehren, sondern Ihnen und vor allem den Menschen, welche diese Kommunikationskanäle nutzen, eine Chance zu geben. Gerade die Attribute der Niedrigschwelligkeit und der oft zitierten Anonymität können einen Erstkontakt zu einem Seelsorger sicherlich in so manchen Fällen erleichtern und Basis für ein Folgegespräch bilden. Dem Seelsorger bietet sich die potentielle Möglichkeit, Menschen in Kommunikationsräumen zu begegnen, in denen sich diese heimisch fühlen. Dies gilt auch für jene Menschen, die den Inhalten der Frohen Botschaft noch nicht nahe sind.

Schafft es die Seelsorge diesen Spagat gekonnt zu überwinden, so kann das Internet mit all seinen Facetten in Zukunft sicherlich einen großen Teil dazu beitragen, die Frohe Botschaft auch weiterhin in der Gesellschaft prä-sent zu halten und sie weiter zu verbreiten.

(Dieser Artikel wurde im September 2009 auf www.internetseelsorge.de veröffentlicht, ist dort aber derzeit nicht mehr Verfügbar.)

Über Jens Albers

Jens Albers ist von Hause aus Kommunikationswissenschaflter und Journalist. Fasziniert von der kirchlichen Medienlandschaft in all ihrer Vielfalt, beschäftigt er sich auch im Bistum Essen mit diesem Themengebiet.