„Was Sie Kardinal Meisner immer schon fragen wollten…“ – Kirchliche Dialogplattform im Internet

von Unbekannt

Mit hoher Medienresonanz hat das Erzbistum Köln an Pfingsten die neue Dialogplattform www.direktzumkardinal.de gestartet. Auf dieser Plattform ruft Kardinal Meisner öffentlich zum Dialog auf und beantwortet Fragen – persönliche Fragen, Fragen zu Glaube, Ethik oder Zukunft der Kirche.

Mit dieser für die katholische Kirche in Deutschland neuen Art der Kommunikation begeht der Kardinal einen ungewöhnlichen Schritt auf dem Weg des Dialogs und wie die Zugriffszahlen der ersten Tage zeigen, wird dieses Experiment sehr genau wahrgenommen.

 

Wie funktioniert die Plattform?

Unter der Adresse www.direktzumkardinal.de gelangen Interessierte auf eine Plattform, auf der sie schriftlich Fragen stellen, die dann über eine gewisse Zeit in einem öffentlichen Abstimmungsprozess stehen. Andere Nutzer der Plattform geben ihre Stimme pro oder contra zu dieser Anfrage ab, so dass in einem Ranking die wichtigsten Fragen nach oben gelangen. Der Kardinal hat sich bereit erklärt, alle 14 Tage die bestplatzierte Frage persönlich zu beantworten und zu veröffentlichen.

Die Regeln der Kommunikation sind damit transparent und klar: Jede seriöse und ernst gemeinte Frage, die den Anforderungen der öffentlichen Kommunikation (nicht beleidigend, ehrverletzend, rassistisch, strafbar etc.) entspricht, wird veröffentlicht und hat die Chane unter die Top-Fragen zu gelangen. Der Fragesteller tritt dabei unter seiner Identität auf und registriert sich mit seinem Namen. Die Zustimmung oder Ablehnung einer Frage kann dagegen anonym erfolgen. Der Daten- und Persönlichkeitsschutz für die Beteiligten ist gewährleistet. Es findet keine thematische Vorauswahl statt, auch kritische Fragen stellen sich der Abstimmung. Lediglich inhaltsgleiche Fragen werden von der Moderation mit dem Hinweis, sich an der Abstimmung zu beteiligen, aussortiert.

Im Turnus von 14 Tagen wird die bestbewertete Frag an den Kardinal weitergeleitet, der sie dann persönlich beantwortet und veröffentlicht.

Erneute Fragen zum selben Thema werden danach auf diese Antwort verwiesen, so dass im Lauf der Zeit ein breites Themenspektrum in der öffentlichen Diskussion steht – so das Ziel der Aktion.

 

Das Prinzip der Plattform?

Die Plattform wird von einem externen Internetdienstleister betrieben, der sich auf diese Art der Kommunikation spezialisiert hat. Hier liegt auch die Moderation der Fragen. Die Fragen müssen konkret formuliert sein und dürfen keine beleidigenden oder strafrechtlich relevanten Inhalte enthalten. Bei inhaltsgleichen Anfragen verweist das System darauf, sich an den in Abstimmung befindlichen Anfragen zu beteiligen. Dieser Algorithmus dient der Bündelung und Zusammenfassung von Fragestellungen. Denn das Besondere ist, dass nicht jeder einzelne Leserbrief mit z.T. speziellen und individuellen Anliegen beantwortet wird, sondern dass gesellschaftliche Fragen und Trends sichtbar werden, die beantwortet werden und Relevanz für eine größere Nutzergruppe haben. Wie in großen Podiumsdiskussionen üblich, werden auch hier Themen gebündelt, bewertet und nach Teilnehmerrelevanz beantwortet. Many-to-one-Kommunikation nennt sich diese Art des Bürgerdialogs, den auch einige Politiker nutzen, u.a. auch Bundeskanzlerin Angela Merkel.

 

Wozu begibt sich das Erzbistum Köln auf diesen Weg der Kommunikation?

Das Internet übernimmt zunehmend eine wichtige Rolle in der öffentlichen Diskussion. Hier möchte sich auch Kirche einbringen. Für Papst Benedikt XVI sind die neuen Kommunikationsmittel, besonders das Internet mit den neuen Web2.0-Anwendungen, ein besonderes Anliegen und ein geeignetes Mittel der Evangelisierung. In den Botschaften zum „Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel“ der letzten Jahre ruft der Papst seine Priester und alle engagierten Christen auf, sich im Internet in den Foren und Blogs einzubringen und sich mit der eigenen Meinung deutlich zu Wort zu melden. Auch Kardinal Meisner hat sich dieses Anliegen zu eigen gemacht.

Es liegt nahe, dass sich manche Vertreter aus kirchlichen Behörden, die klar definierte Kommunikations- und Dienstwege gewohnt sind, mit den unstrukturierten Kommunikationsformen wie sie in den Sozialen Netzwerke vorherrschen, schwer tun. Vielen Akteuren erscheint dort die Kommunikation trivial, beliebig und irrelevant. Die Entscheidung für eine Dialogplattform wie www.direktzumkardinal.de ist auch eine Entscheidung für eine gewisse Qualität der Kommunikation, auch wenn dies möglicherweise auf Kosten der Spontaneität und Unmittelbarkeit der Kommunikation geht. Dennoch kann dem Erzbistum Köln nicht der Vorwurf gemacht werden, es würde nur willfährige Themen zulassen und unliebsame Fragen unterdrücken. Immerhin wird die Relevanz einer Frage allein durch die Beteiligung der Nutzer bestimmt.

 

Was ist das Ziel dieser Aktion?

Das Erzbistum Köln erhofft sich in der öffentlichen Wahrnehmung einen direkteren Zugang zu interessierten Menschen, und das sollen nicht nur Katholiken sein, zu bekommen. Gerade die Person Kardinal Meisner wurde in jüngster Zeit fast ausschließlich im Zusammenhang mit unpopulären Entscheidungen genannt. In der öffentlichen Wahrnehmung besteht kaum die Chance, dass Entscheidungen und Meinungen, die nicht der veröffentlichten Meinung entsprechen, begründet und differenziert wahrgenommen werden. Kirche verhält sich in der Öffentlichkeit allzu oft reaktiv und Meinungsäußerungen von Kirchenvertretern werden dazu heran gezogen, um vorherrschende Klischees zu bestätigen. Die Aktion www.direktzumkardinal.de soll ein Stück unmittelbarer und direkter Kommunikation mit einer Zielgruppe in der Öffentlichkeit ermöglichen, die in Bezug auf Einstellungen und Meinungsvielfalt in höchstem Maße heterogen erscheint und wo der öffentliche Dialog deshalb ein gewisses Maß an Struktur und Steuerung durch klare (Spiel-)Regeln benötigt.

Über das Medium Internet ist ein niederschwelliges Angebot der Kommunikation möglich. Kommunikationshürden werden abgebaut, da das Angebot dauerhaft und überall zur Verfügung steht. Die Plattform will Menschen ansprechen, die der Kirche fern stehen, die keinen Zugang zu dieser Institution mehr haben und möchte vor allem internetaffine Gruppen ansprechen, das sind z.B. Jugendliche, die auf diesen Weg leichter mit Kirche in Kontakt treten können.

Das Projekt ist angelegt auf ein Jahr, der Anfang mit hervorragenden Zugriffszahlen viel versprechend. Ob dieses Kommunikationsangebot für Kirche erfolgreich sein wird, wird sich zeigen, wenn sich die Plattform dauerhaft etabliert und die Nutzerzahlen auch längerfristig auf einem relevanten Niveau bleiben.

Ralf Diessner
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    One thought on “„Was Sie Kardinal Meisner immer schon fragen wollten…“ – Kirchliche Dialogplattform im Internet

    1. Ein interessantes Projekt! Werde es gern weiter verfolgen. Gibt es eigentlich irgendwo Versuche, dass Seelsorger (oder gar Bischöfe) auch den umgekehrten Weg gehen, d.h. Fragen an andere Internetnutzer stellen bzw. danach fragen, was sie bewegt, welche Schwierigkeiten sie für Kirche und Glauben und in ihrem persönlichen Leben derzeit sehen? Das wäre eine interessante Ergänzung, damit es nicht nur in eine Richtung geht.

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